Ein wichtiger Charakterzug der Donauschwaben 


ist ihre Frömmigkeit und ihre Vorliebe für Wallfahrten


Die Überschrift legt den Gedanken nahe, dass im folgenden Beitrag einige die trennenden Grenzen der Konfessionen überwindende gemeinsame Züge donauschwäbischer Frömmigkeit ins Auge gefasst und beschrieben werden. Das hat der Verfasser dieser Zeilen beim katholischen Gottesdienst in Detroit in den Vereinigten Staaten von Amerika, am Tag der Donauschwaben, vor einigen Jahren getan. Dort hat er versucht, die Prägung der protestantischen und katholischen Donauschwaben durch dasselbe Gottes-Menschen- und Weltbild darzustellen, die alle Nicht-Donauschwaben bei genauem Zusehen an den Donauschwaben feststellen könnten. In diesem Aufsatz sollen einige typische Züge katholischer donauschwäbischer Frömmigkeit zu Wort kommen. Bekanntlich werden von der Wissenschaft nur jene deutschen Siedler als Donauschwaben bezeichnet, die nach der Verdrängung der Türken aus Altungarn ab 1686 in den bis dahin türkisch besetzten Gebieten an der mittleren Donau angesiedelt wurden. Die Deutschen, die trotz der Türken in von denselben nicht besetzten Gebieten Altungarns hatten bleiben können – das sei hier ausdrücklich hervorgehoben – gehören nicht zu den Donauschwaben. Im Einzelnen sind das die Deutschen Westungarns, die Slowakeideutschen und die Siebenbürger Sachsen. Von ihnen ist in diesem Beitrag nicht die Rede. In diesem kurzen Aufsatz soll nur von drei spezifischen Äußerungen katholischer donauschwäbischer Frömmigkeit gesprochen werden, und zwar von der Vorliebe der Donauschwaben für P r o z e s s i o n e n, ihrer Neigung, Wa l l f a h r t e n zu machen und von ihrer Art, M a r i a , d i e M u t t e r J e s u zu verehren. Alle drei Charakterzüge gehören zur so genannten barocken Frömmigkeit, die auf dem Gebiet der Monarchie von den habsburgischen Herrschern bis auf Kaiser Joseph II. nicht nur gefördert, sondern auch praktiziert wurden. Ein gutes Beispiel für die Entfaltung der barocken Frömmigkeit im wiedereroberten Ungarn ist das religiös-kirchliche Leben in der Residenzstadt Ofen-Buda zwischen 1686 und 1822, das Pfarrer Franz Greszl in seinem so glänzend geschriebenen Buch jüngst erst geschildert hat.


1. Die Vorliebe der Donauschwaben für Prozessionen


Von den vielen Prozessionen, die die Donauschwaben in der alten Heimat veranstaltet haben, seien hier nur die zwei überall beliebten Prozessionen erwähnt: Die Auferstehungsprozession am Karsamstagabend und selbstverständlich die Prozession am Fronleichnamsfest.Eine Auferstehungsprozession wird im Heimatbuch Modosch von Josef Burger folgendermaßen geschildert: „Am Abend bei Beginn der Dämmerung fand die Auferstehungsfeier statt. Sie bildete gleichsam einen Höhepunkt des kirchlich-religiösen Geschehens, bei dem niemand fehlen wollte. Nach der eigentlichen Auferstehungsfeier in der Kirche begaben sich die Gläubigen mit dem Priester auf die Strasse, wo sie sich zum Umzug formierten… An ihm nahmen neben allen Gläubigen auch die Musikkapelle, … die freiwillige Feuerwehr, … der Kirchenchor, das Kirchenorchester und der Deutschen Männergesangverein geschlossen teil… In allen Fenstern, die am Prozessionsweg lagen, brannten Kerzen.“Ich muss für meine Person gestehen, dass das Miterleben gerade dieser Prozession in den Kinderjahren für mich eines der stärksten religiösen Erlebnisse war, das mich für das ganze Leben geformt hat. Die Herz und Gemüt prägende Gestalt des auferstandenen, den Tod bezwingenden Christus – sie war einfach nicht zu vergessen. Als die zweite große Prozession, die die katholischen Donauschwaben über alles liebten, sei die Prozession am Fronleichnamsfest erwähnt. Wie großartig war sie doch, diese eucharistische Prozession, ganz einerlei, ob sie in einer der donauschwäbischen Großgemeinden oder in einer kleinen Landpfarrei stattfand. Universitätsprofessor Jakob Bleyer hatte recht, als er im Budapester Sonntagsblatt vom 26. Juni 1925 schrieb Universitätsprofessor Jakob Bleyer hatte Recht, als er im Budapester Sonntagsblatt vom 26. Juni 1925 schrieb: „Vielleicht begeht kein Volk das Fronleichnamsfest mit solcher Pracht und Innigkeit wie das deutsche. Unsere schwäbischen Dörfer wetteifern miteinander in der Entfaltung des Besten und Schönsten, was ihnen gegeben ist. Allen voran schreitet aber die große, schöne Gemeinde Budaörs.“ Man stelle sich doch einmal lebhaft vor: Die Budaörser bereiteten alljährlich für diese Prozession einen nahezu zwei Kilometer langen, duftigen Blumenteppich, auf dem die Prozession zu den vier Kapellen einherzog, wobei dem heiligsten Sakrament unterwegs noch einmal Blumen gestreut und Tausende von Kränzchen gewidmet wurden. Professor Lehmann konnte von der donauschwäbischen katholischen Frömmigkeit mit Recht behaupten, ihre Christozentrik sei in die Augen gesprungen. Oder hätte man die Christozentrik etwa stärker betonen können, als es diese zwei in allen katholischen donauschwäbischen Gemeinden begangenen Prozessionen alljährlich taten?


2. Die große Neigung der katholischen Donauschwaben, Wallfahrten zu machen.


Weil die Donauschwaben in Altungarn in sechs Siedlungslandschaften lebten, ist es schwer, einen zentralen Wallfahrtsort zu nennen, den alle besucht hätten. Aber auch hier seien wegen des Raummangels nur vier Orte genannt, die für das jeweilige Siedlungsgebiet charakteristisch waren, und zwar Maria Radna für das Banat, Mariaschnee bei Peterwardein für Syrmien und die Batschka, Marigyüd für die Schwäbische Türkei und Maria Potsch für das Sathmarer Gebiet.Wer konnte die vielen donauschwäbischen Wallfahrer, die sich jährlich zwischen Mai und September zu einem Wallfahrtsheiligtum auf den Weg machten, zählen? Den heutigen Lesern scheint es fast nicht glaubhaft zu sein, was Dr. Eugen Bonomi 1971 in seinem Beitrag „Deutsche aus dem Ofner Bergland in Ungarn auf Wallfahrt“ über die Vielfalt dieser Wallfahrten berichtet. Er schließt mit der vielsagenden Feststellung: „Das blühende Wallfahrtswesen der Deutschen im Ofner Bergland – vor einem Vierteljahrhundert noch Wirklichkeit – ist nicht mehr.“ Zum Abschluss dieses Punktes über das Wallfahren lassen wir den jungen Kirchenhistoriker aus dem Banat, Martin Roos, zu Wort kommen: „Der Wallfahrtsort des Banates schlechthin war Maria Radna am rechten Ufer der Marosch. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstanden, gewann er mehr und mehr an Bedeutung. Die heutige Kirche wurde 1767 geweiht und das Gnadenbild darin aufgestellt. Der Strom der Pilger erreichte mit etwa 60-70.000 Teilnehmern pro Jahr seinen Höhepunkt vor dem Ersten Weltkrieg.“


3. Die innige Marienverehrung der katholischen Donauschwaben


Dass die Katholiken insgesamt die Mutter ihres Herrn und Erlösers, Maria, mehr und inniger verehren als alle übrigen Heiligen, sollte heute eigentlich niemanden wundern, denn nach Meinung der alten Kirchenväter nimmt Maria bei der Erlösung als die neue Eva neben dem neuen Adam Christus einen besonderen Platz ein. Den katholischen Donauschwaben schien die Rolle Marias als neue Eva selbstverständlich zu sein. Darum fühlten sie sich von Maria besonders angezogen und zum Vertrauen angespornt. Der vorhin zitierte Pfarrer Martin Roos hebt diesen Zug folgendermaßen ins Wort: „Das Marianische ist mit dem Donauschwäbischen eng verbunden. Fast ein Drittel aller Kirchen und Kapellen der Diözese (d.h. Tschanad) sind der Gottesmutter geweiht. Maria erfreut sich der Verehrung des ganzen Volkes. Nicht nur ihre Liturgischen Gedenktage stehen hoch in Ansehen, sondern auch die verschiedenen marianischen Volksandachten. Die Nachmittagsgottesdienste an Sonn- und Feiertagen hatten fast ausschließlich marianischen Charakter. Um 1870 begannen sich auch in den Pfarreien des Banats und der Diözese die Maiandachten durchzusetzen… Ähnlich wie der Mai ist auch der Oktober der Gottesmutter geweiht: Es ist der Rosenkranzmonat.“ Damit sind die ins Auge springenden donauschwäbischen Formen der Marienverehrung beim Namen genannt, nämlich die Maiandacht und das Rosenkranzgebet. Die Donauschwaben lieben auch heute die Maiandacht und betrachten dieselbe als donauschwäbische Eigenheit. Man muss einmal in der Bürgersaal-Kirche in München eine donauschwäbische Maiandacht miterlebt haben, dann erst weiß man, was eine solche Maiandacht heute noch für die Donauschwaben bedeutet. Dass solche Maiandachten auch gesamtkirchlich noch modern sind, beweist die päpstliche Enzyklika „Mense maio“ vom 1. Mai 1965.Den Rosenkranzmonat hat Papst Leo XIII. eingeführt und empfohlen, der Ende des 19. Jahrhunderts 16 Apostolische Schreiben darüber geschrieben hat. Er hat auch angeordnet, dass im Oktober der Rosenkranz täglich in allen Pfarrkirchen gebetet werden soll.Die Art der Donauschwaben, die Gottesmutter besonders durch das Rosenkranzgebet zu verehren, ist also zugleich auch der beste Beweis dafür, dass die katholischen Donauschwaben stets bereit waren, auf die Weisung der Päpste und Bischöfe zu hören und sich danach zu richten.

 Josef Haltmayer +

WALLFAHRTEN